Mirkokosmos

Remake

Manche Filme verfolgen einen noch lange, nachdem man sie gesehen hat...

Mein Beitrag zur Steinerei 2008 in Hildesheim, wo er den Jury-Preis gewann. "Remake" lautete auch das Wettbewerbsthema, dem sich der Film auf mehrere Arten nähert: Da ist zunächst der Film im Film, eine Hommage an alte Zorro-Schinken und eine Zeit, in der Film noch so ganz anders war, das Kinoerlebnis aber doch so ähnlich gewesen sein muss wie heute. Der Film im Film enthält nachgelegte Figuren aus den Werken von Eadweard Muybridge, die wohl zu den ältesten Filmen überhaupt gehören. Schließlich enthält der Film noch das Remake, das ihm seinen Namen gibt: Am Ende nutzt der Protagonist die Fantasie, die der Film beflügelt hat.

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Presseecho

Ein Artikel im Weser-Kurier vom 1. Januar 2009, einige Zeit, nachdem der Film im Filmkunsttheater Schauburg in Bremen als Vorfilm zur wöchentlichen Sneak-Preview gezeigt wurde:

Remaking of

Ein Animationstest mit der Vorlage von Muybridge und den Schablonen, auf die ich schließlich die Steine gelegt habe, darunter zwei Fotos vom Set:

Rezension

Mathias Mertens, Literatur- und Medienwissenschaftler an der Universität Hildesheim und Veranstalter der Steinerei in den Jahren 2005 bis 2010 schrieb seinerzeit im Brickboard:

"Ein typischer Mirko-Film: Perfekte Animation, brillante Photographie, schlagende Idee, großartige Dramaturgie, kongenialer Soundtrack. Und das Gimmick natürlich, nicht zu vergessen.

Die Animation ist perfekt, weil sie relativ unaufwändig ist. Mirko ist immer auf der Höhe seiner Fähigkeiten, das wäre eine Definition von "perfekt". Das ist, glaube ich, eine wichtige Regel für Animation: Mache immer nur das, was Du auch kannst, und entwerfe auch nur Konzepte für das, was Du kannst. Dann ist das Ergebnis hervorragend. Das bedeutet, dass ein Film, in dem sechs Figuren im Vordergrund einen Lichtschwertkampf führen, während im Hintergrund zwanzig Raumschiffe herumfliegen und eine Gruppe von Stormtroopern heranrückt, schon bei leichten Unzulänglichkeiten der Animation ziemlich stümperhaft daherkommen kann. Umgekehrt kann ein Film, in dem eine Figur an einem Tisch sitzt und vor sich hin starrt unglaublich überzeugend rüberkommen (Extrembeispiel, ich weiß). Aber wenn man sich die Aufnahme der Zuschauer im Kino anguckt, oder wenn der Held auf den Balkon schaut, dann versteht man vielleicht, was ich meine.

Die Photographie ist brillant, weil er es technisch irgendwie raus hat. Man erkennt das "Mirko-Licht" und die "Mirko-Farben" in den Aufnahmen. Das hat man ja auch bei Kinofilmen, dass man zum Beispiel erkennt, ob Michael Ballhaus der Kameramann war oder Sven Nykvist oder Carlo di Palma. Aber nur, wenn man schon ein paar Filme von denen gesehen hat und die Gemeinsamkeit fühlt. Aber auch hier gilt, dass Mirko auf der Höhe seiner Fähigkeiten ist, die er nämlich von Film zu Film weiterentwickeln konnte. In diesem Film experimentiert er nämlich das erste Mal mit dem Look seines Films, indem er ihn mittendrin aus dramaturgischen Gründen ändert. Sobald sich das Leben des Helden in einen Film verwandelt, verwandelt sich der Film in einen Film, wechselt also von relativer Neutralität (klare Aufnahmen, klare Farben) in relative Subjektivität, weil er mit seinen verwaschenen, rotstichtigen Aufnahmen, die an Cinemascope erinnern, sagen will, dass er jetzt ein Bild von Film darstellt. Das ist sehr gelungen, obwohl es beim ersten Mal schauen noch ein wenig stört, aber schon beim zweiten Mal als bewusstes Stilmittel verstanden werden kann.

Und beides, die Animation und die Photographie auf der Höhe der Fähigkeiten, funktioniert aber auch nur, weil da eine schlagende Idee hintersteckt. Mirkos Ideen sind immer sehr einfach, auch das ist etwas, was man sich abgucken kann. "Was wäre, wenn Angela Merkel die Frau vom Fischer wäre?", "Mit welcher Form kann ein Lego-Künstler ein Lego-Publikum begeistern?", "Warum kann das Leben nicht wie ein Film sein?" - diese Fragen beantworten seine letzten drei Filme, und weil sie nicht noch beantworten wollen, wie der Alltag eines Plastikmännchens aussieht, was es am liebsten isst, was so im Leben von anderen Plastikmännchen passiert, was die so anziehen, wie das öffentliche Nahverkehrssystem in Legoland funktioniert, was Indiana Jones mit dem Ganzen zu hat, wie das Innere eines Hochgeschwindigkeitszugs in Lego aussehen könnte und ob die Männchen unter Arthritis leiden oder nicht - weil sie nur das eine machen, was sie machen wollen, ist die Idee so überzeugend.

Daraus folgt zwangsläufig eine großartige Dramaturgie. Denn wenn man weiß, was man machen will, weiß man auch, wie man es machen muss. So auch hier, wir haben einen ganz klassischen dramaturgischen Aufbau:

1. Akt: Die Exposition. Ein Männchen ist in eine Frau auf einem Balkon verliebt, hat es sich aber nie getraut, ihr zu sagen. Stattdessen flüchtet er immer in Liebesgeschichten im Kino.

2. Akt: Ansteigende Spannung. Dieser Film ist anders als die anderen, die er bisher gesehen hat. Dieser Film ist so überzeugend, so anregend, so gut, dass er nicht nur Ausgleich für seine Feigheit ist, sondern ihn zu mehr auffordert.

3. Akt: Höhepunkt/Entscheidung. Der Held geht aus dem Kino. Plötzlich verfolgt ihn der Film und gibt ihm die Möglichkeit, Film und Leben miteinander zu verbinden und endlich das auszuleben, was er sich bisher versagt hat. Überwältigt davon, flieht er zunächst. Er muss sich entscheiden.

4. Akt: Absteigende Spannung. Der Held entscheidet sich. Er stoppt die Elemente des Films und beordert sie zum Balkon. Sie sollen ihm das ermöglichen, was ihm bisher unmöglich war.

5. Akt: Lösung. Der Held offenbart der Frau auf dem Balkon seine Liebe.

Der Film funktioniert aber deshalb so gut, weil er den für den Aufbau der Geschichte unwichtigeren Teilen - Akt 2 und Akt 4 - ungleich mehr Aufmerksamkeit schenkt. Denn ehrlich gesagt ist die Story doch relativ dürftig: Ein Mann liebt eine Frau und traut es sich nicht ihr zu sagen. Schließlich entscheidet er sich doch dazu. Interessanter ist, warum er sich dafür entscheidet und wie er es dann macht. Das kann man visuell umsetzen und das hat Mirko mit tollen Bildern gemacht.

Und damit sind wir schon beim Gimmick des Films: der Legetrick im Kino. Unglaublich gut. Darüber könnte ich jetzt auch ein ganzes filmhistorisches und filmästhetisches Kapitel schreiben: über Muybridge, über Körnung von Filmmaterial (genial, welche Steine Mirko auswählt, um den Legetrick zu machen, er hätte ja auch normale Einer nehmen können), über den Flicker-Effekt, über Schwarzweiß-Ästhetik usw. Das ist aber erst mal gar nicht so wichtig. Viel wichtiger ist der Gimmick-Aspekt: Mirko schafft es, in jedem Film so ein ästhetisches Schmankerl einzubauen, mit dem man sich in der Erinnerung an den Film beschäftigen kann. Und jedes dieser Schmankerl macht darauf aufmerksam, dass wir es hier mit Animation zu tun haben: die Hand, die in die Welt des Fischers eingreift, die Knete, die als Fremdkörper in die Plastiksteinwelt fällt und sich anpassen muss, die Steine, die nicht zusammenklicken, um die Welt zu bilden, sondern die nur als Pixel funktionieren; die dann aber im Leben doch wieder zusammenklicken müssen, um ihr zusammengelegtes Bild im Film darstellen zu können. Ganz groß. Will man, dass etwas nachhaltig vom Film im Gedächtnis hängenbleibt, dann sollte man sich so ein Gimmick überlegen.

Und zuletzt sei noch auf den kongenialen Soundtrack hingewiesen. Dvorak hat Filmmusik geschrieben ohne dass es den Film gegeben hat. Das macht seine Musik beim bloßen Zuhören etwas fahrig und zusammengestoppelt. In diesem Film aber wird das implizite Fünfaktschema dieses Stückes ganz deutlich herausgearbeitet. Oder umgekehrt: die Musik arbeitet am Fünfaktschema des Films. Oder richtig: Mirko hat das Fünfaktschema dieses Stückes gesehen und hat daran die Dramaturgie seines Films angepasst. Jedenfalls sitzt jede Emotion des Stückes auf genau dem richtigen Bild im Film. Als ob es eine Dialogspur gegeben hätte, die Mirko animiert."

Im Abspann wird noch ein Brick-Potter-Plakat von Mario Baumgartner erwähnt, das im Film gar nicht richtig zu erkennen ist.

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